9. Licht des Wissens: Wissenschaft und Universität

9. Licht des Wissens: Wissenschaft + Universitäten

Stolze Weltoffenheit: die astronomische Uhr in der Stralsunder Nikolaikirche
„Der Tag, welcher in der Frühe reiche Gaben bietet, endet oft übel.“ Diese Lebensweisheit verkündet die astronomische Uhr in der Stralsunder Nikolaikirche, die am besten erhaltene monumentale Uhr des Ostseeraums aus dem 14. Jahrhundert. Dem mittelalterlichen Menschen schien das Schicksal wankelmütig und kaum kalkulierbar. Und doch ließ es sich durch Rechnen und Messen zähmen und unter Kontrolle bringen. In zahlreichen Kirchen der norddeutschen Hansestädte hält die Wissenschaft Einzug in den Kirchenraum, meist direkt hinter dem Hochalter. Die astronomischen Uhren sind Zeitanzeige und bewegtes Himmelsbild zugleich. Der Tag wird von nun an in gleich lange Stunden eingeteilt.

Die Stammväter der Astronomie – und das älteste Portrait eines Uhrmachers
„Nächst Gott sind Sonne und Mond der Ursprung aller Geschöpfe“. Und der Mensch kann die Geheimnisse des Kosmos entschlüsseln. Die Stammväter der Astronomie wachen über den Fortgang der Zeit: In den vier Ecken des Uhrengehäuses schauen der Grieche Ptolemäus, der König von Kastilien Alfons X, der Ägypter Ali ibn Ridwan und der Perser Albumacar auf die Gemeinde herab. Stolz präsentieren die Hansestädte ihre Weltoffenheit. Und der Schöpfer der Uhr hinterlässt seine Werbebotschaft: Auf einer Seitenwand ist ein Fenster aufgemalt, aus dem Nikolaus Lilienfeld selbst herausschaut: das älteste bekannte Portrait eines Uhrmachers.

Rostock: die älteste Universität Nordeuropas
Im 15. Jahrhundert emanzipiert sich die Wissenschaft von der Kirche. In Rostock wird im Jahr 1419 die älteste Universität Nordeuropas gegründet. Papst Martin V genehmigt die „Hohe Schule“ und gibt ihr zur Aufgabe, durch das „Licht des christlichen Glaubens, des Wissens und der Weisheit die Finsternis zu vertreiben“. Recht, Medizin und die freien Künste dürfen studiert werden – eine theologische Fakultät genehmigt der Vatikan zunächst nicht, zu abtrünnig von der herrschenden Lehre scheinen ihm die Nordländer zu sein. Bald bevölkern Studenten aus Skandinavien, Polen, den Niederlanden und Norddeutschland die junge Universität, die in Greifswald noch eine Schwesteruniversität zur Seite bekommt.

Der Prunk der Professoren: die Rubenow-Tafel in Greifswald
In der Greifswalder Nikolaikirche lassen sich die Gelehrten auf einem monumentalen Tafelbild verewigen – eines der ersten Gruppenbildnisse im deutschsprachigen Raum. Waren kirchliche Altarbilder zu früheren Zeiten den Heiligen vorbehalten, posieren die Professoren unter dem Schutz der Mutter Gottes wie Fürsten: gehüllt in kostbare Pelzmäntel, mit selbstbewusst- würdevollem Blick. Bürgermeister Heinrich Rubenow, der Universitätsgründer, stattete die hohe Schule aus seinem Privatvermögen aus und überließ der juristischen Fakultät seine Bibliothek. Lange konnte er seinen Triumph nicht genießen: Zwei Jahre nach der Entstehung des Bildes wurde er von bedungenen Mördern, offenbar im Auftrag seiner politischen Widersacher, an Silvester 1462 mit einem Beil erschlagen.

© Corinna Hesse, Silberfuchs-Verlag, Tüschow/MV 2014, Nachdruck nur mit Genehmigung der Verfasserin,
Kontakt: corinna.hesse@silberfuchs-verlag.de

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Illustration: Bettina Schulz